Zwölf Wochen bin ich nun schon auf dem platten Land.
Zwölf Wochen – weder habe ich abgebrochen noch wurde ich entlassen.
Man könnte also sagen, ich halte mich gut.
Nach einer gefühlt ewigen Phase der Stabilisierung haben wir nun mit der Erarbeitung einer sog. Traumalandkarte begonnen. Sprich, wir sammeln systematisch was mich wann wie verletzt hat und wie schmerzhaft das Geschehene bis heute ist. Letzte Woche haben wir im Einzel damit angefangen und irgendwo in der Mitte bin ich dann dissoziativ abgehauen. Der Anteil der meinte, das seien ja alles keine Ereignisse, die als Traumata bezeichnet werden könnten, da sie so gravierend nun auch wieder nicht waren, wurde einfach zu laut.
Zwei Tage verkroch ich mich im Bett in meinem (neuerdings Einzel-!) Zimmer. Am Freitag kam ich dann wieder auf die Beine und hatte dann ein ganz wundervolles Wochenende mit Kino, Ausflug in einen Stoffladen, lecker Essen, Radtour, Badewanne, das volle Programm.
Es ist ein Geschenk, dass wir hier die Zeit und die Möglichkeit haben wieder zu entdecken, was uns gut tut. Ganz frei von den sonst auch am Wochenende anfallenden Verpflichtungen. Wir sind hier frei, frei uns um uns zu kümmern.
Das Wochenende davor war ich zum ersten mal auf Heimfahrt in meine Heimatgroßstadt. Ich war fast schon euphorisch als es auf das Wochenende zuging. Freitag Abend war ich auf einem Konzert auf dem Campus, vor allem weil ich dort eine meiner wenigen verbliebenen Freundinnen aus der Uni treffen wollte. Und was soll ich sagen, nüchtern (betrachtet) war der Abend ein ziemlicher Reinfall.
Den Samstag habe ich genutzt, um mein Zimmer wieder einzuräumen, denn bis Anfang Juni hatte dort eine Zwischenmieterin gewohnt. Die Gelegenheit habe ich dann gleich mal zum gründlichen Ausmisten genutzt und auch meine Möbel um geräumt.
Der Sessel genau an der Stelle – das ging einfach nicht mehr. Tag für Tag, Abend für Abend, Stunde um Stunde hatte ich dort gesessen, gesoffen, gekifft, gefressen und nebenbei stumpf netflix geschaut. Er konnte dort einfach nicht stehen bleiben.
Abends dann ein tolles Konzert der King’s Singers. Auch das nicht ganz ohne Anflug von Wehmut, immerhin wollte ich ja lange Zeit auch genau das: Mit klassischem Gesang mein Geld verdienen. Aber das bedauern hielt sich in Grenzen, ich war viel zu sehr damit beschäftigt, ihre Fähigkeiten und Perfektion zu bewundern.
Sonntag dann ein langes Treffen mit meiner lieben J, Freundin aus dem Medizinstudium.
Von diesem treffen vor allem nahm ich das starke Gefühl und die Gewissheit mit: das Leben und die anderen da draußen warten nicht auf dich. Es läuft weiter, sie laufen weiter, alles geht weiter. Das Alte in das du gerne zurückkehren möchtest gibt es schon längst nicht mehr.
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